Der Begriff Flow wird häufig im Zusammenhang mit Kreativität erwähnt. Zurecht: Denn im kreativen Flow zu sein bedeutet so viel wie, sich in einem selbstvergessenen kreativen Zustand zu befinden oder auch in einem Schaffens- oder Tätigkeitsrausch. Menschen im kreativen Flow sind vollkommen vertieft in ihre Tätigkeit, die wie von selbst abläuft, und sie erleben das Gefühl als Glücksgefühl. Dabei behält die Person die Kontrolle und blendet auch aus, was andere denken können. Entdeckerfreude, Begeisterung und Neugier trotz gelegentlichen Misserfolgen sind die Grundzutaten, die zum Flow führen. Zudem ist es wichtig, dass die Aufgabe den Fähigkeiten entspricht und herausfordernd ist (siehe Abbildung Flow Zustand).

kreativer Flow Zustand und Kreativität
Flow Zustand und Kreativität

Mihaly Csikszentmihalyi, der den Begriff Flow geprägt hat, beschreibt den Zustand wie folgt:

»Vergnügen tritt an der Grenze zwischen Langeweile und Angst auf, wenn die Herausforderungen mit der Handlungsfähigkeit der Person in Einklang gebracht werden.«

Mihaly Csikszentmihalyi

Der Autor und emeritierte Professor für Psychologie an der University of Chicago Mihaly Csikszentmihalyi gilt als Schöpfer der Flow-Theorie. Er beschäftigte sich vor ihrer Entwicklung hauptsächlich mit positiver Psychologie. Csikszentmihalyi entdeckte in seiner Glücksstudie, dass Glück von innen kommt und viele berühmte und erfolgreiche Persönlichkeiten dann besonders glücklich und auch am kreativsten sind, wenn sie Flow-Zustände erleben. Mihaly Csikszentmihalyi sagt hierzu:

»The best moments in our lives are not the passive, receptive, relaxing times …The best moments usually occur if a person’s body or mind is stretched to its limits in a voluntary effort to accomplish something difficult and worthwhile.«

Mihaly Csikszentmihalyi
Glücklich und kreativ im kreativen Flow
Glücklich und kreativ

Kreativität als eine zentrale Sinnquelle

In seinem Buch »Flow und Kreativität – wie Sie Grenzen überwinden« hat Csikszentmihalyis über 91 berühmte Persönlichkeiten in über 30 Jahren interviewt, um dem Phänomen der Kreativität auf den Grund zu gehen. Denn wir können den Flow für den kreativen Schaffensprozess und für die Entwicklung von Innovationen nutzen und noch mehr Kreativität in all unseren Tätigkeiten erleben. Csikszentmihalyi beschreibt Kreativität als eine zentrale Sinnquelle in unserem Leben. So sind die meisten menschlichen Phänomene ein Ergebnis von Kreativität, und genau diese Kreativität unterscheidet uns vom Affen. Darüber hinaus übt Kreativität eine Faszinationskraft aus, da sie es schafft, uns aus dem Alltag herauszuheben, und uns das tiefe Gefühl gibt, Teil von etwas zu sein, das größer ist als wir selbst. Und sie hat die Macht, ein Ergebnis zu hinterlassen, das dem Wohl der Zukunft dienen kann.

Kreativität, der kreative Flow und unsere Emotionen

Der Flow-Zustand ist also ein besonders emotionaler und selbstvergessenen Zustand, der kreative Schaffensprozesse begleiten kann. Nehmen wir den Bereich der Emotionen noch genauer unter die Lupe. Denn Emotionen bilden die Grundlage all unseren Handelns und somit auch des kreativen Handelns.

Woher kommt unsere Kreativität? Welche Emotionen fördern Kreativität? Was hat sie mit unseren Emotionen zu tun? Immer mehr Wissenschaftler gehen diesen Fragen nach.

Definition und Bedeutung von Emotionen

Starten wir mit einer Definition von Emotionen: Emotionen bedeuten wortwörtlich »heftige Bewegungen« (von latein. emotio). Sie lassen sich definieren als kurze, biopsycho- soziale Reaktionen auf spezifische Ereignisse, die Konsequenzen für unser Wohlbefinden haben und meist eine sofortige Handlung erfordern. Emotionen sind nach dieser Definition sehr schnelle Informationsverarbeitungssysteme, die sich unter anderem durch folgende Merkmale auszeichnen:

  • Kurz: Emotionen dauern im Vergleich zu Stimmungen nur ein paar Sekunden oder Minuten und ihr Auslöser liegt entsprechend kurz vor dem Auftreten der Emotionszustände.
  • Biologisch: Es entstehen physiologische Reaktionen im zentralen und autonomen Nervensystem, z. B. Rötung der Gesichtshaut, Veränderung der Atmung.
  • Psychologisch: Es werden mentale Prozesse wie Aufmerksamkeit, Wahrnehmung, Motivation usw. aktiviert.
  • Sozial: Wir drücken Emotionen nach außen aus, weil wir soziale Wesen sind. Die Evolution hat gezeigt, dass es günstig für unser Überleben ist, wenn andere mitbekommenn, wie es uns geht!

Weiterhin sind unsere Emotionen als Schlüssel zu unserem Unbewussten im limbischen System verankert – der älteste Teil in unserem Gehirn. Sie sind (meist unbewusste) Antreiber für all unser Verhalten. Schauen wir uns das einmal mithilfe des Eisberg-Modells an (vgl. Abbildung Eisberg und unsere Emotionen): Unser Unterbewusstsein samt Emotionen, Werten, Bedürfnissen usw. macht 90 % aus – d. h. dieser Teil ist für uns und andere nicht direkt sichtbar. Indirekt sind sie wahrnehmbar über unsere Mimik und Körpersprache, die die restlichen 10 % des Eisberges ausmachen.

Eisbergmodell, kreativer Flow und unsere Emotionen
Eisberg und unsere Emotionen Grafik: Katharina Netolitzky ©
aus Kreativitätsboost für Ihr Marketing Neue Wege der Ideenfindung

Emotionen für einen kreativen Flow und im Arbeitsalltag nutzen

Emotionen steuern uns und sind wichtig für uns Menschen – natürlich auch im Arbeitsalltag. Wichtig sind dabei alle Emotionen, nicht nur die als positiv empfundenen. So erlebe ich häufig in Seminaren und Coachings, dass Menschen angenehm empfundene Emotionen wie Freude oder Liebe bevorzugen. Doch ist es sehr bedeutsam, die Funktionen von allen Emotionen anzuerkennen und wertzuschätzen – auch für den Kreativprozess. So mag es sein, dass sich Angst und Ärger nicht immer gut anfühlen, doch auch sie haben eine wertvolle Funktion. Wenn wir beispielsweise Angst, Sorge oder auch Panik verspüren, will uns diese Emotion veranlassen, uns in Sicherheit zu bringen. Wenn wir zum Beispiel Sorge vor einem anstehenden Pitch haben, sorgt diese Emotion dafür, dass wir uns vorbereiten, Energie in den Pitch stecken, bis wir ein sicheres Gefühl haben.

Nehmen wir den Ärger – beispielsweise darüber, dass Ihr Kollege Ihre Idee nicht weiterverfolgen möchte oder jemand Ihre »ver-rückte Idee« in einem Kreativmeeting kritisiert. Auch diese negative Emotion ist sehr bedeutsam für Sie. Denn Ärger ist nichts anderes als ein Zielhindernis, mit der Funktion, dieses Hindernis zu »beseitigen« oder zu »reduzieren«. Das kann bedeuten, weiter für Ihre Idee(n) zu kämpfen und sich nicht von einem Kritiker abschrecken oder aufhalten zu lassen. Für den kreativen Prozess sind alle Emotionen wichtig und besitzen eigene Funktionen.

Auch Ärger hilft in kreativen Prozessen
Auch Ärger hilft in kreativen Prozessen

So können Sie die Emotionen im Arbeitsalltag nutzen:

  • Ärger, um sich durchzusetzen und für Ihre Ideen zu kämpfen
  • Freude, um sich für die Zukunft zu motivieren und Kooperationspartner zu finden
  • Ekel und Verachtung, um sich abzugrenzen und beispielsweise Ideengegnern Grenzen aufzuzeigen
  • Trauer, um sich bei Bedarf Unterstützung zu suchen
  • Angst, um Erfolge möglichst »sicher« zu machen z. B. durch eine gute Vorbereitung auf das Meeting
  • Überraschung, um sich bei unerwarteten Ereignissen neu zu orientieren und Informationen zu gewinnen

Was sind »kreative Erfolgsemotionen«?

Es gibt Thesen, die besagen, dass insbesondere große Künstler in unglücklichen und traurigen Momenten besonders kreativ waren. Andere behaupten, Freude ist die Erfolgsemotion für Kreativität. So wird auch der kreative Flow als vergnügter Zustand beschrieben, zu dem Freude als Erfolgsemotion gehört. Die Emotion Freude fördert demnach kreatives Denken und Handeln. Auch Interesse ist eine notwenige Emotion, die mit Kreativität Hand in Hand geht. Denn ohne Interesse bzw. Neugier wird es schwer möglich sein, Niederlagen zu überwinden, Fehlschläge zu verkraften und motiviert zu bleiben, um etwas Neues zu kreieren. Doch auch eine als negativ empfundene Emotion wie Trauer kann durchaus die Kraft haben, Kreativität zu fördern. So gibt es auch viele Künstler, die durch ihre Trauer Meisterwerke in Form von Musik, Gemälden oder Gedichten erschaffen haben.

Trauer für einen kreativen Flow?

Trauer entsteht, wenn wir etwas sehr Wertvolles verlieren. Das kann bezogen auf den Berufsalltag zum Beispiel ein verlorener Pitch sein, die Gehaltserhöhung, die wir uns gewünscht, aber nicht bekommen haben, oder auch die Kritik an unserer Idee, die wir jemanden präsentiert haben.

Trauer kann ein wirksamer Antreiber für einen kreativen Flow sein
Trauer kann ein wirksamer Antreiber für kreatives Schaffen sein

Trauer besitzt wie alle anderen Emotionen auch eine wertvolle Funktion. Sie hilft uns, die »verlorenen Ressourcen« wiederzuerlangen. Diese Ressourcen können zum Beispiel Stolz, Selbstbewusstsein oder Selbstvertrauen sein. Trauer hilft uns, über ein entsprechendes Verhalten – wie zum Beispiel dem Schreiben eines Gedichts, eines Songtextes oder dem Malen eines Bildes – unsere Kraft zurückzugewinnen und das »traurige« Erlebnis zu verarbeiten oder, bezogen auf das Beispiel »Kritik an einer Idee«, einen schlagfertigen Spruch als Entgegnung auf die Kritik zu äußern, uns Unterstützung zu suchen für ein konstruktives Umsetzen der Kritik.

In dieser Perspektive kann auch ein negatives Gefühl wie Trauer ein wirksamer Antreiber für kreatives Schaffen sein.

Funktionale vs. dysfunktionale Emotionen

Trauer ist jedoch nicht immer gleich Trauer. Das gilt auch für alle anderen Emotionen. In der Emotionsforschung unterscheidet man zwischen funktionalen und dysfunktionalen Emotionen. Funktional ist sie dann, wenn die Emotion ihre Funktion erfüllen kann. In unserem Beispiel: Der Trauernde tut etwas, um nach dem Meeting den Rückschlag zu verkraften und so auch in Zukunft seine Ideen zu äußern. Eine dysfunktionale Reaktion könnte darin bestehen, dass man den »Kopf in den Sand« steckt, sich in der Trauer im Kreis dreht und dabei die »Abfahrt« aus der Trauerspirale verpasst …

Diese Überlegungen sollen zeigen, dass es gesund ist und sogar kreativer macht, seine Emotionen wahrzunehmen und sie nicht zu verdrängen, sondern sich mit ihnen zu beschäftigen. Dies belegt auch eine Studie nach Roger Beaty, die zeigt, dass Menschen, die dazu bereit sind, tiefer in ihre Emotionen einzutauchen, offener für Inspirationen sind.

Fazit

Es gibt einen sehr engen Zusammenhang zwischen Kreativität und unseren Emotionen. Daher ist es für kreative Schaffensprozesse wichtig, auch eine Achtsamkeit für unsere Emotionen zu entwickeln und sich die Frage zu stellen: Wie bin ich gerade gestimmt? Wie sind die Teilnehmer der Kreativitätsrunde gestimmt? Zudem können wir Atmosphären im Berufsalltag schaffen, die die kreativen Emotionen Freude und Interesse bzw. Neugier zulassen und uns in einen kreativen Flow-Zustand bringen.

Weiterhin können wir dysfunktionale Emotionen in funktionale umwandeln, beispielweise indem wir den Ärger über einen Kollegen, der unsere Idee kritisiert, zu einem »angemessenen« Ärger drosseln, damit dieser emotionale Zustand uns nicht blockiert, sondern nach vorne bringt. Hier helfen Stressmanagementtools und Selbtscoachingtools.

Das Gesicht ist die Bühne unserer Emotionen: Wenn wir achtsam die Gefühle unserer Mitmenschen wahrnehmen – sei es im Innovationsworkshop oder im Arbeitsalltag –, können wir Menschen besser verstehen, unsere Beziehungen verbessern und damit auch kreative Prozesse bzw. einen kreativen Flow fördern.

Weitere Kreativimpulse in der digilogen Ideenwerkstatt

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